Facharzttermine

Um die Wartezeit auf einen Facharzttermin zu verkürzen und unnötige Operationen zu vermeiden, sind im Koalitionsvertrag unter der Rubrik „Gesundheit und Pflege“ Absichten formuliert, die leider wenig bewirken. Weder die geplante Terminservicestelle bei der kassenärztlichen Vereinigung noch die Zweitmeinung eines Facharztes vor einer Operation sind geeignet, Wartezeiten zu verkürzen oder unnötige Operationen zu verhindern.

Inhaltsverzeichnis

Terminservicestelle

Dazu heißt es auf Seite 75 des Koalitionsvertrages:

„Für gesetzlich Versicherte wollen wir die Wartezeit auf einen Arzttermin deutlich reduzieren. Sie sollen sich künftig bei Überweisung an einen Facharzt an eine zentrale Terminservicestelle bei der kassenärztlichen Vereinigung(KV) wenden können. Diese vermittelt innerhalb einer Woche einen Behandlungstermin. Für den Termin soll im Regelfall eine Wartezeit von vier Wochen nicht überschritten werden.“

 

Auswirkungen

1.Dieses beabsichtigte Verfahren gilt nicht für Privatpatienten, da sie auch künftig bei Arztterminen bevorzugt werden.

2.Die Terminservicestelle bei der KV ist noch gar nicht existent; ganz abgesehen davon, dass sich kaum ein Patient an eine solche anonyme Servicestelle, womöglich noch als Callcenter, wenden wird. Sollte er es dennoch ausnahmsweise tun, wird ihm innerhalb einer Woche ein Behandlungstermin vermittelt. Was heißt das? Das heißt lediglich, dass er innerhalb einer Woche weiß, dass er einen Termin bekommt. Das muss nicht bei dem Facharzt sein, den der Patient bisher bevorzugt hat. Warum überhaupt  dieser Umweg, wenn er direkt den Facharzt nach einer Überweisung anrufen möchte, um einen Termin zu vereinbaren.

3.Eine Wartezeit von vier Wochen wird in städtischen Regionen bei der dortigen Facharztdichte schon jetzt unterschritten. In ländlichen Regionen und dem dort existenten Fachärztemangel, der künftig noch zunehmen wird, ist  mit Wartezeiten von acht Wochen und mehr zu rechnen. Es können aber auch zwölf Wochen und mehr sein.

4.Nimmt der Patient direkt den Kontakt zum Facharzt auf, ohne sich vorher eine Überweisung vom Hausarzt gegeben zu haben, ist das vorgesehene Verfahren ohnehin hinfällig.

 

Nun hat der Präsident der Bundesärztekammer, Ulrich Montgomery, den famosen Vorschlag, die Überweisung vom Hausarzt nach Dringlichkeit zu differenzieren, um bei dringlichen Fällen die Wartezeit zu verkürzen. Ist dem Hausarzt das zuzumuten, wenn er mehrere dringliche Fälle hat und andere Hausärzte auch? Man stelle sich vor, er muss vielen seiner Patienten mitteilen, dass sie nicht dringlich sind, was objektiv sogar stimmen mag. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wäre nachhaltig gestört oder sogar zerstört.

 

Insgesamt handelt es sich bei dem beabsichtigten Verfahren um eine bürokratische Mißgeburt ohne Substanz, mit dem der Ärztemangel insgesamt verschleiert wird, der unverändert bestehen bleibt. Der Mangel an Fachärzten- aber auch von Hausärzten- insbesondere in ländliche Regionen wird daher hingenommen.

Dazu § 100(Unterversorgung) SGB V:

(1) Den Landesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen obliegt die Feststellung, dass in bestimmten Gebieten eines Zulassungsbezirks eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder in absehbarer Zeit droht. Sie haben den für die betroffenen Gebiete zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen eine angemessene Frist zur Beseitigung oder Abwendung der Unterversorgung einzuräumen.

(2) Konnte durch Maßnahmen einer Kassenärztlichen Vereinigung oder durch andere geeignete Maßnahmen die Sicherstellung nicht gewährleistet werden und dauert die Unterversorgung auch nach Ablauf der Frist an, haben die Landesausschüsse mit verbindlicher Wirkung für die Zulassungsausschüsse nach deren Anhörung  Zulassungsbeschränkungen in anderen Gebieten nach den Zulassungsverordnungen anzuordnen.

 

Zweitmeinung vor Operationen

Dazu heißt es auf Seite 79 des Koalitionsvertrages:

Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass nur Operationen durchgeführt werden, die auch tatsächlich medizinisch notwendig sind. Daher haben Patienten zukünftig regelhaft die Möglichkeit, eine Zweitmeinung bei einem weiteren Facharzt oder Krankenhaus einzuholen. Die Ärzte müssen bei Indikationsstellung die Patienten über deren Recht zur Einholung einer Zweitmeinung verbindlich aufklären. Diese Aufklärung muss mindestens zehn Tage vor der Operation erfolgen.

 Unnötige Operationen

Unnötige Operationen, z.B. Hüftoperationen, sind an der Tagesordnung, weil sie für die Krankenhäuser wirtschaftlich notwendig, für die Patienten hingegen gesundheitlich schädlich sind. Ausgerechnet Krankenhäuser mit einer Zweitmeinung zu beauftragen, ist daher wenig hilfreich, um es freundlich zu formulieren.  Aber auch die Zweitmeinung eines weiteren Facharztes ist problematisch. Was ist, wenn die Meinung der beiden Fachärzte, also die Erstmeinung und die Zweitmeinung, nicht übereinstimmen oder sogar zu gegensätzlichen Positionen führen? Wem soll der Patient dann vertrauen? Er wird in aller Regel dem Facharzt vertrauen, bei dem er regelmäßig in Behandlung ist oder der ihm vom Hausarzt empfohlen wurde.

 

Abgesehen davon wird eine Zweitmeinung erst nach einer weiteren Untersuchung erfolgen können. Das ist schon jetzt möglich, wenn der Patient Zweifel an der Diagnose „seines“ Facharztes hat und deswegen einen zweiten Facharzt aufsucht. Hat er diese Zweifel nicht, wird er auf eine Zweitmeinung keinen Wert legen. Allerdings wird er Wert darauf legen, dass die Aufklärung zur Einholung einer Zweitmeinung auch von seiner Krankenkasse erfolgt, ohne dass bereits ein Operationstermin festgelegt ist.

Klinikkonzerne

Daraus ergibt sich, dass die Vielzahl unnötiger Operationen weiter erfolgen wird, weil eine Zweitmeinung diese nicht verhindert, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass Fachärzte mit Kliniken verbandelt sind, die die Operationen durchführen. Notwendig wäre stattdessen, die Krankenhäuser nicht als Wirtschaftsunternehmen zu akzeptieren, was sie insbesondere bei den Klinikkonzernen wie Asklepios oder Helios sind. Die Privatisierung von Kliniken  muss daher rückgängig gemacht werden.

Gesundheit ist keine Ware.

Rolf Aschenbeck

koalitionsvertrag-data

Bitte beachten Sie die Anmerkungen in diesem Vertrag.

 

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