TISA

Es geht um Wirtschaft, doch die Verhandlungen erinnern eher an Geheimdienste: Im Stillen beraten 50 Staaten über die Liberalisierung(Privatisierung) von Dienstleistungen. Die Dimensionen erinnern an TTIP, das strittige Freihandelsabkommen. NDR, WDR und „SZ“ liegt ein Geheimpapier vor. Von John Goetz und Nils Naber, NDR

Es ist ein schlichtes US-amerikanisches Verhandlungspapier, doch es ist an sich geheim. Das Dokument müsse „in einem sicheren, abgeschlossenen Raum oder Container aufbewahrt werden“, steht da geschrieben. Denn von dem Abkommen, das die USA, die EU und 22 weitere Staaten seit Monaten miteinander verhandeln, soll nichts nach draußen dringen.

Inhaltsverzeichnis

TISA

TISA heißt das Abkommen, das die USA, Kanada, Japan, Australien, Schweiz und einige Länder in Asien und Lateinamerika derzeit hinter verschlossenen Türen verhandeln. In ihren Dokumenten nennen sie sich „really good friends of services“, also die „sehr guten Freunde von Dienstleistungen“. Seit Juni 2013 treffen sie sich regelmäßig in der australischen UN-Botschaft in Genf.

Ziel ihrer Gespräche ist es, in diversen Dienstleistungsbereichen Liberalisierungen durchzusetzen und Regulierung abzuschaffen. Einer der Bereiche, um die es geht, ist der Bereich der Finanzdienstleistungen. Darauf bezieht sich auch das erwähnte US-Verhandlungspapier von WikiLeaks, das NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ vorliegt. 

 Öffentlichkeit ausgeschlossen

Die Öffentlichkeit sollte den Text des Abkommens eigentlich erst fünf Jahre nach einem möglichen Vertragsabschluss sehen dürfen, so steht es auf der ersten Seite. Doch warum so geheim? Das versteht auch Markus Krajewski nicht, Wirtschaftsvölkerrechtler von der Universität Nürnberg-Erlangen. Er kritisiert: „Hier geht es um die weitreichende Liberalisierung von diversen Dienstleistungsbereichen. Und die Öffentlichkeit hat keine Chance, Einfluss auf die Verhandlungen zu nehmen.“
In dem US-Dokument steht, dass im Bereich der Finanzdienstleistungen bestehende Monopolrechte eingeschränkt oder abgeschafft werden sollen. Auf diese Position haben sich EU und USA dem Papier zur Folge schon verständigt. Das Ganze ist brisant. Auch die deutschen Sparkassen könnten davon betroffen sein. Sie sind gesetzlich besonders geschützt und müssen dem Gemeinwohl dienen.
„Wir beobachten die Entwicklungen bei den aktuell geplanten Handelsabkommen sehr genau“, so Stefan Marotzke vom Sparkassenverband. „Grundsätzlich gilt auch für TISA die Feststellung der EU-Kommission, dass öffentliche Dienstleistungen nicht zwangsweise liberalisiert oder privatisiert werden dürfen.“

Energie- und Wasserversorgung

Doch bei TISA geht es nicht nur um Finanzen, sondern um weitere Dienstleistungen nicht nur der kommunalen Daseinsvorsorge, wie zum Beispiel die Energie- und Wasserversorgung. Erst in den vergangenen Jahren haben sich viele Städte und Gemeinden dazu entschlossen, ihre einstmals privatisierten Energieversorger wieder in Eigenregie zu übernehmen.
Doch sollte TISA verabschiedet werden, könnte es durchaus sein, dass Kommunalisierungen in Deutschland nicht mehr möglich sind. Auch der deutsche Städtetag fordert deswegen, dass beispielsweise kommunale Wasserversorger explizit aus dem Abkommen ausgeklammert werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium wiegelt ab: „Die Daseinsvorsorge wird durch Ausnahmeregelungen von Verpflichtungen im Trade in Services Agreement ausgenommen.“(?)

Konzerne bevorzugt

Im Rahmen des Abkommens kommen sogenannte „Negativlisten“ zum Einsatz. Das bedeutet: Alle Bereiche, die aus einer weitreichenden Liberalisierung ausgeklammert werden sollen, müssen aufgelistet werden. Für alle anderen Bereiche gilt: Inländer wären künftig mit Anbietern aus dem Ausland gleichgestellt. Das bedeutet beispielsweise, wenn die Gesundheitsversorgung eines Vertragslandes nicht explizit ausgeklammert wird, müssen künftig ausländische Anbieter in diesem Bereich die gleichen Rechte haben wie inländische. Die Folge wäre: ausländische Anbieter hätten im gleichen Umfang Anspruch auf staatliche Subventionen wie inländische.

Besonders problematisch finden TISA-Kritiker wie der kanadische Politikwissenschaftler Scott Sinclair, dass in dem TISA-Abkommen sogenannte „Stillstands-“ und „Ratchet-Klauseln“ verankert werden sollen. Gegenüber tagesschau.de erklärt Sinclair:
„Die Stillstands- und Ratchet-Klauseln würden dafür sorgen, dass jetzt oder zukünftig durchgeführte Privatisierungen im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen festgeschrieben würden.“ Im Falle eines Regierungswechsels könnte so die Privatisierung einer bestimmten Dienstleistung nicht mehr zurückgedreht werden, auch dann nicht, wenn private Anbieter versagen würden.

Hinter dem TISA-Abkommen stehen große international agierende Konzerne, die sich beispielsweise im „European Services Forum“ zusammengeschlossen haben. Dahinter stehen Namen wie Deutsche Post, Deutsche Telekom oder Siemens. Ihr Interesse besteht darin, möglichst viele Handelsbeschränkungen zu minimieren oder zu beseitigen mit dem Ziel, weitere Märkte nach eigenen Regeln zu erschließen.

WTO abserviert

TISA ist der Versuch, außerhalb der Welthandelsorganisation WTO ein Abkommen zu verhandeln. Gespräche über die Liberalisierung von Dienstleistungen im Rahmen der WTO (Doha-Runde) waren zuvor ins Stocken geraten. Der Grund dafür war unter anderem der Widerstand einiger Entwicklungs- bzw. Schwellenländer. Australien und die USA trieben dann die Idee voran, ein neues Abkommen außerhalb der WTO zustande zu bringen. Laut EU können alle Länder an den TISA-Verhandlungen teilnehmen, wenn sie inhaltlich einverstanden sind. Kritiker finden dieses Vorgehen problematisch. „Dass diese Verhandlungen zu TISA außerhalb der WTO geführt werden, ist ein Problem. Die „guten Freunde“ schaffen Fakten und die Länder, die nicht an den Verhandlungen beteiligt werden, müssen sich später diesen Fakten unterwerfen“, kritisiert Wirtschaftsrechtler Krajewski.

Demokratische Teilhabe

Mit aller Kraft stemmen wir (Campakt) uns seit einem Jahr gegen TTIP und CETA. Die Handelsabkommen sind in aller Munde – und wanken. Doch jetzt kommt es ganz dicke. Im Schatten von CETA und TTIP erwächst nahezu unbemerkt eine neue gigantische Bedrohung: TISA.

Auf höchster Geheimhaltungsstufe verhandelt die EU mit den USA und 21 weiteren Staaten das Trade in Services Agreement. Das Ziel: Den Dienstleistungssektor deregulieren und Privatisierungen in großem Stil ermöglichen.

Besonders heikel: In Zukunft sollen Konzerne auch mit der öffentlichen Daseinsvorsorge – also mit Bildung, Gesundheit und Wasser – Kasse machen dürfen. Was einmal privatisiert ist, darf dann nie mehr öffentlich organisiert werden – egal ob Wasserversorgung, öffentlicher Nahverkehr oder Stadtwerke. Neue Maßnahmen zur Marktregulierung, etwa zur Vermeidung neuer Finanzkrisen, werden verboten. Auch Regeln für die Weitergabe oder Speicherung unserer Daten wären passé.

Damit wäre demokratische Teilhabe nicht mehr möglich.

Anmerkung

Kann man dieser Bundesregierung noch glauben? Da behauptet das Wirtschaftsministerium, die (öffentliche) Daseinsvorsorge sei von TISA ausgenommen und sagt damit gleichzeitig, dass es TISA ansonsten akzeptieren könnte, obwohl das Parlament bisher nicht einbezogen worden ist, was aber vor einer Entscheidung der Exekutive notwendig wäre. Ganz offensichtlich hat sich diese Regierung dem Kapitalinteresse unterworfen und will am Parlament vorbei nur noch dessen Handlanger sein.

Wenn das alles stimmt, und danach sieht es bisher leider aus, wird es höchste Zeit für einen Aufstand der Abgeordneten des deutschen Parlaments. Oder wissen diese Abgeordneten gar nicht, worum es geht? Wissen sie wenigstens, dass sie Abgeordnete der Bevölkerung  sind, deren Interessen sie zu vertreten haben?

Oder ist alles TINA

There is no alternative. Es gibt keine Alternative, behaupten die, die ihre Interessen gegen die Mehrheit durchsetzen wollen. Das gilt leider auch für die Bundesgegierung. Sie ist auch deswegen erfolgreich, weil sie sich mit tätiger Mithilfe ihrer Kumpane aus der Wirtschaft als Sachwalter des Gemeinwohls geriert.

Tatsächlich sehen die, die oben sind, die da unten nicht mehr, weil sie zu klein sind. Nun wissen wir auch, warum ständig die „kleinen Leute“  von oben herab als Rechtfertigung herhalten müssen für Maßnahmen, die sie scheinbar begünstigen, tatsächlich aber schädigen. Sie sind als Opfer für die selbst ernannte Elite willkommen und  deswegen bestens geeignet, für den an ihnen begangenen Verrrat auch noch bestraft zu werden.

Das ist perfide!

Rolf Aschenbeck

 

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