GKV-Leistungsausgaben

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist im Gegensatz zur PKV eine Solidargemeinschaft. Das Risiko einer Erkrankung tragen alle Versicherten, weil jeder krank werden kann und sich dann darauf verlassen muss, als Beitragszahler ohne zusätzliche Kosten medizinisch versorgt zu werden. Aber ist das so?


Die Ausgaben der Krankenkassen steigen schneller als die Einnahmen. Das ist nicht die Schuld der Kassen, sondern es sind unzureichende und kostentreibende gesetzliche Regelungen, die aber von den Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts angewendet werden müssen. Die Folge der Ausgabensteigerungen sind höhere Belastungen der Versicherten, während der Beitragsanteil der Arbeitgeber bei unveränderter Rechtslage konstant bleibt.

Die Krankenkassen versuchen, mit Einsparungen bei den Leistungsausgaben zu reagieren und könnten versucht sein, zu Lasten an sich notwendiger Leistungen zu sparen. Es gibt aber Einsparmöglichkeiten, ohne Leistungseinschränkungen vorzunehmen. Dazu zwei Beispiele.

Inhaltsverzeichnis

Arzneimittel

Bei der Durchsicht des AMNOG[1]-Reports der DAK-Gesundheit ist zu lesen, dass bei den Arzneimitteln ein deutlicher Trend zu teureren Präparaten besteht. Einige mögen auch ihren Nutzen haben, auch einen höheren als die bestehenden Arzneimittel, da pharmazeutische Unternehmen beim Marktzugang eines Arneimittels einen Zusatznutzen nachweisen müssen. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn lediglich die Zusammensetzung eines Medikaments (modifizierte Wirkstoffe) geändert worden ist. Deswegen wird ein Zusatznutzen auch nur zu 50% anerkannt. Aber auch Medikamente ohne diese Anerkennung sind patentgeschützt und deswegen im ersten Jahr nach Marktzugang hochpreisig, um nicht zu sagen, unverschämt teuer.

Deutlich höhere Ausgaben bei den Krankenkassen sind die Folge, zumal im ersten Jahr der Zulassung eines neuen Medikaments Mondpreise von den Herstellern verlangt werden, die in keinem Verhältnis zu ihrem Nutzen stehen. Im AMNOG-Report finden sich leider keine Aussagen darüber, wie man diesem Trend zu teureren Arzneimitteln Einhalt gebieten kann. Da dieser Report nach Aussage des Vorstands jährlich erscheinen soll, wäre eine Erweiterung dieses Reports mit Vorschlägen zu Einsparmöglichkeiten über die hinaus angebracht, die bereits vorliegen, so z.B. die Nutzenbewertung der Arzneimittel des Bestandsmarkts oder der Wegfall der freien Preisfestsetzung im ersten Jahr.

Operationen

https://youtu.be/DONCSX9Y8cY

Ein weiteres Beispiel ist der Nutzen oder auch der Nichtnutzen von Operationen zu erwähnen. Gemeint sind nicht die Operationen in Privatkliniken, die ohnehin ein vorrangiges Profitinteresse haben, sondern die in öffentlichen Krankenhäusern, die ebenfalls oftmals unnötig sind. Planbare Operationen, etwa Hüft- Knie- und Rückenoperationen , nutzen vielfach nicht nur nicht, sondern schaden, um Kasse zu Lasten der Patienten zu machen. Bemerkenswert ist, dass solche Operationen unanhängig von der Qualität mit einer Fallpauschale von den Krankenkassen bezahlt werden müssen. Die Fallpauschalen müssen daher im BMG einer kritischen Prüfung unterzogen werden, um zu einer anderen Vergütung zu kommen; und zwar zu einer solchen je nach Qualität der Operation. Bei unnötigen und schädlichen Operationen sollte eine Vergütung überhaupt nicht mehr erfolgen. Das ist zwar in der Konsequenz ein ungewöhnlicher Vorschlag, aber darüber muss nachgedacht werden, um Qualität und nicht Quantität zu bervorzugen.

Beitragssatzsteigerungen

Erheblich steigende Kosten bei Arzneimitteln und Operationen tragen dazu bei, dass der Beitragssatz bereits ab 2016 steigen wird. Dieser Beitragssatz setzt sich zusammen aus dem paritätischen Beitragsssatz von 14,6% und dem Zusatzbeitragssatz von 0,9%, der je nach Kasse auch niedriger sein kann, den aber die Versicherten allein zu tragen haben. Dieser Zusatzbeitragssatz wird bei allen Kassen steigen und die Versicherten deswegen einseitig zusätzlich belasten.

Die Forderung nach einer Rückkehr zum paritätischen Beitragssatz, also der hälftigen Zahlung von Versicherten und Arbeitgebern, ist und bleibt richtig. Es ist jedoch zu fragen, ob es nicht ratsamer ist, Schritt für Schritt vorzugehen, um zu vermeiden, dass die einseitige Belastung der Versicherten weiter steigt. Das hieße, dass die Beitragssatzsteigerung von den Arbeitgebern zu tragen wäre mit der Folge, dass die Parität in den nächsten Jahren wieder erreicht werden kann.

Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass die Versicherten, die auch Wähler sind, eine Partei wählen, die willentlich Arbeitgeber verschont und Versicherte abermals zusätzlich belastet.

Zuzahlungen

Ein weiterer Aspekt, der zu erwähnen ist, wenn es um die einseitige Belastung der Versicherten geht, sind die Zuzahlungen, die vielfältig erfolgen und dem Solidarprinzip widersprechen. Wenn der Versicherte seinen Beitrag einschließlich des Zusatzbeitrags zahlt, muss er im Krankheitsfall auch noch zuzahlen, was faktisch bedeutet, dass er temporär einen höheren Beitrag zahlt als der gesunde Versicherte. Es gibt nämlich Zuzahlungen, die erheblich sind, z.B. bei den Kosten für Zahnersatz. Wer Zahnersatz benötigt, lediglich die Regelleistung beansprucht, regelmäßig zum Zahnarzt geht und auch noch regelmäßig für die professionelle Zahnreinigung zahlt, muss dennoch mindestens einige hundert Euro zuzahlen. Sonderwünsche über die Regelleistung hinaus können allerdings von der Solidargemeinschaft nicht getragen werden.

Deswegen müssen Zuzahlungen weitgehend entfallen, auch wenn die Krankenkassen damit belastet werden. Das Solidarprinzip darf nämlich nicht zur Disposition gestellt werden.

Rolf Aschenbeck

[1] AMNOG: Arzneimittelneuordnungsgesetz

Steigende Zusatzbeiträge

Schlechte Nachrichten für Millionen gesetzlich Krankenversicherte: Angesichts neuer Finanzrisiken rechnet der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) mit steigenden Beiträgen. Das sagte GKV-Chefin Doris Pfeiffer. Die finanziellen Belastungen durch die geplanten Gesundheitsreformen sowie ein andauerndes, strukturelles Defizit bei Ausgaben und Einnahmen könnten viele Kassen nur durch höhere Zusatzbeiträge auffangen.
Für das laufende Jahr rechnet der Verband noch mit einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent. Bereits 2016 wird er nach GKV-Angaben voraussichtlich aber auf 1,1 bis 1,2 Prozent steigen. Bis zum Jahr 2019 sei sogar ein Anstieg der Zusatzbeiträge auf durchschnittlich 1,4 bis 1,8 Prozent zu erwarten, sagte Pfeiffer. Die Mehrbelastungen für 2019 im Vergleich zu 2015 bezifferte sie auf 10,5 Milliarden Euro.

Der Beitragssatz zur Krankenversicherung nimmt also nach GKV-Einschätzung bis 2019 von derzeit 15,5 auf 16,0 bis 16,4 Prozent des Bruttoeinkommens zu. Er setzt sich seit Jahresbeginn zusammen aus einem allgemeinen, festen Bestandteil von 14,6 Prozent, den Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte bezahlen, sowie einem Zusatzbeitrag. Diesen müssen die Kassen aufgrund ihrer Finanzlage regelmäßig neu bestimmen. Er wird allein von den Arbeitnehmern aufgebracht.

Arbeitgeber bei eigenem Anteil offen

Der Vertreter der Arbeitgeberseite im Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes, Volker Hansen, signalisierte, dass der Arbeitgeber-Anteil am Krankenversicherungsbeitrag nicht auf Dauer bei 7,3 Prozent eingefroren bleiben müsse. In der Großen Koalition gibt es angeblich eine Absprache, bei einem zu weiten Auseinandertriften der Zusatzbeiträge wieder an den Arbeitgeberanteil heranzugehen. Allerdings nicht mehr in dieser Legislaturperiode. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte ihn in der Absicht eingefroren, keine Arbeitsplätze zu gefährden.

Zurzeit zahlen 61 Prozent der GKV-Mitglieder den für 2015 prognostizierten Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent. Für diese Gruppe hat sich also gegenüber der bis Ende 2014 geltenden Regelung nichts geändert. Knapp 27 Prozent zahlen einen Zusatzbeitrag von 0,8 Prozent. Bei diesen beiden Gruppen handelt es sich in erster Linie um Mitglieder der großen Kassen. Entsprechend wurden bisher nur geringfügige Abwanderungen der Beitragszahler zu günstigeren Kassen beobachtet.

Kassenvermögen schmilzt

Das GKV-Vermögen ist den Angaben zufolge rückläufig. Die Liquiditätsreserven des Gesundheitsfonds sanken zwischen 2013 und 2015 von 13,6 Milliarden auf schätzungsweise 10,1 Milliarden Euro. Die Betriebsmittel und Rücklagen der Kassen gingen in diesem Zeitraum von 16,4 Milliarden auf voraussichtlich 14,2 Milliarden Euro zurück.

Grundsätzlich seien die Kassen durchaus bereit, hohe Vermögen abzubauen. Allerdings könne die Finanzlage von Kasse zu Kasse sehr unterschiedlich sein, sagte Pfeiffer. Sie rechnet demnach auch mit weiteren Fusionen bei den derzeit noch 124 Kassen. Ende des vergangenen Jahres lag diese Zahl noch bei 130.

Nach GKV-Angaben lag Ende 2014 das Defizit zwischen Ausgaben Einnahmen bei rund 2,3 Milliarden Euro. Die erwarteten Mehrausgaben durch die Gesetzesinitiativen wie Versorgungsstärkungsgesetz, Krankenhausreform, e-Health-Gesetz oder die Regelungen zur Stärkung der Prävention und zum Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung belaufen sich nach GKV-Berechnungen bis 2019 auf 3,4 Milliarden Euro.

image_printDrucken